Kirche und Landwirtschaft: Eine spannungsgeladene Beziehung
veröffentlicht im Genossenschafts-Magazin Weser-Ems, Ausgabe 12/2024
Der 22. Unternehmertag der Landwirtschaftskammer Weser-Ems erlebte eine lebendige Diskussion. Mit dabei waren auch zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter der Volksbanken und Raiffeisenbanken aus Weser-Ems. Die Branche diskutierte über das Verhältnis zwischen Landwirtschaft, Kirchen und Medien.
Lebendige Diskussionen bestimmten den 22. Unternehmertag der Landwirtschaftskammer Niedersachsen (LWK) in Cloppenburg. Im Mittelpunkt stand das Verhältnis zwischen Landwirtschaft, Kirche und Medien.
Die rund 400 Gäste, darunter zahlreiche Vertreter der Volksbanken und Raiffeisenbanken aus Weser-Ems, erlebten in der voll besetzten Stadthalle Ende November unter der Moderation von Markus Gürne, ARD-Ressortleiter der Börsenredaktion, dass dieses Verhältnis zwar eng und wichtig, aber durchaus auch spannungsgeladen ist. Der Vorsitzende des Arbeitskreises Landwirtschaft der Arbeitsgemeinschaft der Volksbanken und Raiffeisenbanken in Weser-Ems, Rainer Herbers, Vorstand der VR-Bank in Südoldenburg eG, betonte in seiner Eröffnungsrede ebenso wie Gerhard Schwetje, Präsident der LWK, dass ein gutes Verhältnis zwischen Bäuerinnen und Bauern und den Kirchen wirtschaftlich und gesellschaftlich insbesondere in und für die Region von großer Bedeutung ist. Der Dialog miteinander und auch mit der Gesellschaft müsse aber verbessert werden. Ziel sei es, dass die „Landwirtschaft es wieder schafft, ihre Botschaften authentisch zu transportieren“ und als wichtiger Teil der Gesellschaft wahrgenommen werde. Dass dies in der Vergangenheit nicht uneingeschränkt gelungen sei, gestand auch der LWK-Präsident: „Daran müssen wir arbeiten.“
Auf der Suche nach dem Dialog
Zusammen mit dem Journalisten Markus Gürne diskutierten auf dem Podium Wilfried Theising, Weihbischof in Münster, Offizial des Offizialatsbezirks Oldenburg, Thomas Adomeit, Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg, Fenna de Beer, Junglandwirtin aus Norden und aktive Kommunalpolitikerin, sowie die Agraringenieurin und Agrarbloggerin Marie Hoffmann aus Greven in Nordrhein-Westfalen. Am Ende der komplexen Diskussion stand die Erkenntnis, dass der Dialog von offener Kommunikation, von Ehrlichkeit, vom Zuhören und vom Verständnis lebt. Das gilt nicht nur für das Verhältnis von Kirche und Landwirtschaft, sondern für das Miteinander aller gesellschaftlichen Gruppen und klingt wie eine Selbstverständlichkeit. Doch der Unternehmertag hat deutlich gemacht, dass man daran intensiv arbeiten muss.
Argumentieren statt Brüllen
Dies ist auch für Markus Gürne von entscheidender Bedeutung. In seinem Impulsreferat skizzierte er die Aufspaltung der Gesellschaft in viele kleine Gruppen. Diese Individualisierung führe zu einem Verlust an Gemeinschaftssinn, radikaler werdenden Meinungen und Standpunkten und zu immer mehr Regulatorik. Dies sei für eine freie Gesellschaft eine große Herausforderung - gerade mit Blick auf die Sozialen Medien, die die öffentliche Kommunikation immer stärker prägten. Dies spüre auch die Landwirtschaft, die häufig in der öffentlichen Wahrnehmung nicht die Wertschätzung erfahre, die ihr zustehe und sich häufig falsch verstanden fühle.
Daran trage aber auch die Landwirtschaft selbst eine Mitschuld. Statt in der Öffentlichkeitsarbeit den sachlichen und informativen Dialog zu forcieren, setze man häufig auf Konfrontation, Protest und Geschrei. Das komme in der Außendarstellung meist nicht gut an. „Laden Sie ein, stellen Sie Fragen, erklären Sie und lassen Sie ein Bild entstehen, wie Lösungen aussehen könnten“, empfahl er den Bäuerinnen und Bauern und ihren Standesvertretern. Statt übereinander zu reden, müsse man erreichen, dass wieder miteinander geredet werde. Den Einwand, dass auch die klassischen Medien reflexartig die Landwirtschaft vorführen wolle, konterte der Fernsehmann: „Setzen sie auf Qualität. Professionalität in der Medienarbeit ist das Entscheidende.“
Soziale Medien nutzen
Wie dazu die Sozialen Medien genutzt werden können, zeigte die Influencerin Marie Hoffmann. In vielen kleine Posts erklärt sie auf Instagram und Co. charmant, informativ und vor allem sehr einfach und anschaulich, wie die Arbeit und das Leben auf einem bäuerlichen Betrieb funktioniert. „Wir müssen der Landwirtschaft wieder eine Stimme geben“, sagte die Influencerin. Es habe sich zwar viel getan, jedoch würden noch zu wenig Menschen erreicht, die nicht direkt mit der Landwirtschaft verbunden sind. Es gelte die „Botschaften auf den Punkt zu bringen“, schnell und kompetent. Auch bei Gegenwind im Netz und falschen Behauptungen gelte es „sachlich zu argumentieren, statt wütend in die Kamera zu schreien“.
Kirchen in der Kritik
Bei dem Verhältnis „Landwirtschaft und Kirche“ standen auf dem Unternehmertag vor allem das Thema Landverpachtung sowie das von der Expertenkommission am Rande der Deutschen Bischofskonferenz veröffentlichte Papier „Ernährungssicherheit, Klimaschutz und Biodiversität: Ethische Perspektiven für die globale Landnutzung“. Darin fordern die Autoren ein Umdenken in der Landwirtschaft, hin zu mehr Ökologie und Gemeinwohlorientierung. Viele Landwirte fühlten sich dadurch in ihrer Arbeit angegriffen. Im Saal war von „Bauern-Bashing“ die Rede. Weihbischof Wilfried Theising, selbst auf einem Bauernhof aufgewachsen, betonte, dass das keine offizielle Stellung der Bischofskonferenz sei und räumte gleichzeitig ein, dass er das Papier für wenig ausgewogen und unglücklich halte.
Kirche: Pachteinnahmen finanzieren wichtige Aufgaben
Insgesamt beurteilt er wie sein evangelischer Amtskollege Thomas Adomeit das Verhältnis von Kirche und Landwirtschaft als gut und belastbar. Viele Landwirte würden sich in den Kirchengemeinden engagieren und die Bewahrung der Schöpfung verbinde beide Seiten. Der Dialog von Landwirtschaft und Kirche sei deshalb wichtig. Auch als Wirtschaftsfaktor sei die Landwirtschaft für die Kirche wichtig. „Mit den Einkünften aus der Verpachtung von Kirchenland werden vielfältige pastorale, soziale, kulturelle und diakonische Aufgaben der Kirche gesichert“, sagte Thomas Adomeit. Allein die Evangelisch-Lutherische Kirche in Oldenburg verpachte aktuell knapp 3.000 Hektar Land.
Das Vorgehen der Kirchen bei der Pachtvergabe stieß bei den Landwirtinnen und Landwirten jedoch auch auf Kritik. Fenna de Beer auf dem Podium als auch viele Wortmeldungen im Saal bestätigten ein gutes Miteinander von Landwirtschaft und Kirchengemeinden. Jedoch würde die aktuelle Praxis bei den Pachtverlängerungen nicht im Einklang mit christlichen Werten stehen. So sei die Pachtzeit von zwölf auf sechs Jahre verkürzt worden und es entscheide am Ende, wer den höchsten Preis zahle. Aspekte wie Engagement in der Gemeinde, nachhaltige Bewirtschaftung oder langfristige und verlässliche Zusammenarbeit spielten keine Rolle. Dies sorge teilweise für existenzbedrohende Situation bei den betroffenen Höfen. Die beiden Geistlichen zeigten sich überrascht. Grundsätzlich seien die Verantwortlichen angehalten, die Pachtverträge nicht allein nicht finanziellen Gesichtspunkten zu vergeben. Diesbezüglich gelte es, wie bei vielen anderen Themen, mehr miteinander zu reden.